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Über den Begriff "Secondo"
(Daniela Palumbo, SonntagsZeitung, 5. Mai 2002) |
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Secondos sind so gewalttätig nicht
(Marc Spescha, Leserforum Tages-Anzeiger, 10. Mai 2002) |
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Secondos
(Catalin Dorian Florescu, Züritipp, 17. Mai 2002) |
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Gleicher Schulabschluss - halbe Chancen
(Silvia Oberhänsli, InfoSüd/ Tages-Anzeiger, 8. August 2002) |
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Al-Kaschaf: Die erste islamische Pfadi
(Karina Rierola, sda/Tages-Anzeiger, 21. August 2002) |
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Vonlanthen für die Schweiz
(SonntagsBlick, 1.September 2002) |
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Ohne Einwanderung läuft nichts
(Aargauer Zeitung, 14. September 2002) |
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Die Zeichen der Zeit verstanden
(Thomas Gubler, Basler Zeitung, 17. September 2002) |
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Interview Miss Schweiz Nadine Vinzens
(Jeanette Kuster, Schweizer Familie, Nr. 39, 26. September 2002) |
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Hollywoodstar hilft Lehrstellen besetzen
(Conny Schmid, Tages-Anzeiger, 1. November 2002) |
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Schweizer Tamilen
(Daniel Suter, Tages-Anzeiger, 26. November 2002) |
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Locker wie Latinos
(Daniel Blickenstorfer, Facts, 31. Dezember 2002) |
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Die neuen Sündenböcke |
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Über den Begriff "Secondo"
"Meistens vergesse ich, dass in meiner Tasche an Stelle eines
roten Schweizer Passes ein grüner Ausländerausweis liegt.
Diese Woche wurde ich aber zweimal daran erinnert, dass auch ich
eine "Seconda", eine Ausländerin zweiter Generation
bin.
Am Montag steckte im Briefkasten ein Brief des Personenmeldeamts
der Stadt Zürich mit der Aufforderung, meine Niederlassungsbewilligung
C zu verlängern, die alle drei Jahre fällig wird - für
"Secondos" eine Formsache und doch eine wiederkehrende
Quelle des Ärgers.
Gemäss Antragsformular gibt es nur zwei Gründe, warum
Ausländer in der Schweiz wohnen dürfen: Arbeit oder Studium.
Dass Tausende Ausländerkinder in der Schweiz zur Welt gekommen
sind und hier leben, weil die Schweiz ihre Heimat ist, scheinen
die Behörden nicht begriffen zu haben. In meinem Ausländerausweis
steht nicht, dass ich in der Schweiz geboren bin, sondern dass ich
am Tag meiner Geburt in die Schweiz eingereist bin. Viele "Secondos",
ob mit oder ohne "Gel in den Haaren" (NZZ vom Donnerstag),
lassen sich nicht einbürgern - aus Protest gegen die Einbürgerungsformalitäten.
Warum sollen sie sich von Schweizermachern prüfen lassen, wenn
sie hier die Schulen besucht haben, warum für einen Schweizer
Pass Tausende Franken hinblättern, wenn dieser ihnen von ihrem
Gefühl her eigentlich umsonst zustünde?
Am Mittwoch musste ich mich wieder ärgern, diesmal über
die Zürcher Stadträtin Esther Maurer. Nach den Ausschreitungen
am 1. Mai sprach sie vom starken Auftreten jugendlicher "Secondos"
als Krawallmacher. Bevor feststand, wie viele der Festgenommenen
tatsächlich "Secondos" waren, schuf Maurer mit ihrer
unreflektierten Verwendung des Begriffs "Secondo" neue
Sündenböcke. Darunter verstehe sie alle Leute ausländischer
Herkunft, eingebürgerte oder nicht eingebürgerte, präzisierte
sie. Liebe Frau Maurer, was nützen Integrationsbemühungen,
wenn Sie Jugendliche ausländischer Herkunft, ob mit oder ohne
Schweizer Pass, als "Secondos" voreilig an den Pranger
stellen?"
(Daniela Palumbo, SonntagsZeitung, 5. Mai 2002) |
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Secondos sind so gewalttätig nicht |
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"Die Stadtzürcher Polizeivorsteherin ortete noch am
Abend des 1.Mai 2002 vor laufenden Fernsehkameras in den Secondos
die Urheber der Krawalle und ortete dringenden integrationspolitischen
Handlungsbedarf. Die Printmedien hieben tags darauf in dieselbe
Kerbe. (....). Gerade mal 30 Prozent waren also Nichtschweizer.
Zieht man hiervon die Deutschen ab, kommen als Secondos noch knapp
50 Personen oder 24 Prozent der Verhafteten in Frage. Bedenkt man,
dass der Ausländeranteil in Zürich 29 Prozent beträgt,
derjenige der ausländischen Jugendlichen und jungen Männer
ohne Schweizer Pass im Kreis 4 über 40 Prozent, ist ausserordentlich
bemerkenswert, dass die Secondos im Vergleich zu den Schweizern
gleichen Alters derart deutlich untervertreten waren! Eine korrekte
politische Abbildung der Wirklichkeit hätte also allenfalls
von gewaltbereiten, apolitischen männlichen Jugendlichen berichtet.
Stattdessen wurden Secondos als Gewalttätige stigmatisiert,
damit verbreitete Vorurteile über kriminelle Ausländer
bedient. Integrationspolitisch ist das weit verheerender als die
Tatsache, dass auch jugendliche Immigrantenkinder am Krawall beteiligt
waren."
(Marc Spescha, Leserforum Tages-Anzeiger, 10. Mai 2002) |
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Secondos |
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"Da wähnen wir uns in Ruhe und Sicherheit, und der
1. Mai bricht ein. Da besteht das sanfte Leben der Schweizerin darin,
ihren Freund zu mehr Kommunikation zu stimulieren und dazu, auf
ein Häuschen zu sparen. Und kommunikativer zu werden, sonst
verweigert sie ihm Sex. Das heisst zumindest kompetenter zu stöhnen.
Und dann bricht die Welt ein in den Schlaf der Schweizer. Zürich
Kreis 4. Oder in denjenigen der Deutschen. Erfurt. Oder in denjenigen
der Amerikaner. Highschool soundso. Da denkt man also, dass man
Gewalt und Armut erfolgreich exportiert, während zu Hause nur
die anspruchsvolle Freundin zu fürchten ist, und schon grassiert
die Gewalt daneben. Kollektives Trauern setzt ein, bevor der Spass
weitergeht. Der Kanzler weiss, dass die Welt mit ihm trauert. Krokodilstränen.
Mit den Kurden, die mit deutschen Waffen gemordet wurden, trauern
nur die Kurden und ein paar Idealisten.
Gemessen am Amokpotenzial der Deutschen und der Amerikaner ist
die Schweiz die reinste Parodie. Man wirft Steine um 14 Uhr, plündert
um 15 Uhr, setzt Autos in Brand um 16 Uhr und löst sich um
18 Uhr wieder auf. Einmal im Jahr, um das Establishment nicht zu
stören, schweizerische Bescheidenheit. Aber dank Esther Maurer
wissen wir, dass es importierte Gewalt war. Secondos im weitesten
Sinne, meinte sie. Auch wenn von 213 Registrierten 151 Schweizer
waren. Einmal Ausländer, immer Ausländer sozusagen. Gewalttätige
Schweizer? Ausländer auch die. Ich wage nicht zu denken, was
wäre, wenn ein Secondo Erfurt verursacht hätte. Ja, es
gibt eine Krise im System. Denn die Gewalt ist kein Privileg der
Secondos. Kein mexikanischer Junge hat Leben in einer Highschool
ausgelöscht. Kein türkischer Junge ist in Erfurt Amok
gelaufen. Während die Eltern - weiss und nicht eingewandert
- erfolgreich produktiv und erfolgreich verdumpft sind, rückt
die zweite Generation nach und richtet den Schaden an, zu dem sie
fähig ist. Keine Werte, keine Sprache, sondern Mordswut. Das
System der Eltern wird zum Dämon ihrer Kinder. Insofern sind
sie alle Secondos: Nachfolger einer verbrauchten Elterngeneration.
Und alle sind Verlierer. Die Eltern durch den Hirnschlag und das
Magengeschwür, die Kinder durch das Einzige, was noch ihr Ureigenstes
ist: die Leere. Denn internationalisiert hat sich nicht nur der
Kapitalismus, sondern auch das Leiden. Es fällt auf uns zurück,
was wir anderen antun.
(Catalin Dorian Florescu, Züritipp,17. Mai 2002) |
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Gleicher Schulabschluss - halbe Chancen |
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Ausländische Jugendliche sind nach Abschluss der obligatorischen
Schule bei der weiteren Ausbildung, insbesondere bei der Berufs-
lehre, massiv benachteiligt.Noch immer suchen zahlreiche Schulabgänger
eine Lehrstelle - oft erfolglos. «Für ausländische
Jugendliche ist es wesentlich schwieriger, eine Lehrstelle zu finden
als für Schweizer und Schweizerinnen», zieht Manfred
Fasel von der Berufsberatung der Stadt Zürich Bilanz. Gerade
dieses Jahr laufe die Suche harzig, vor allem für Ausländer
und Ausländerinnen, neuerdings aber auch für Schweizer.
Fasel hat erlebt, dass Firmen einen Lehrling abwiesen, nachdem sie
gehört hatten, dass dessen Name auf -ic endet. Zahlreiche Jugendliche
- so glaubt Fasel - werden dieses Jahr keine Lehrstelle finden.
Schlimm sei, dass viele resignierten und nicht mehr ansprechbar
seien.
In der Tat: Bei der Lehrstellensuche haben längst nicht alle
die gleichen Erfolgsaussichten, wie aus der gesamtschweizerischen
Erhebung «Barometer der Lehrstellen» der letzten fünf
Jahre hervorgeht: Während von den im April an einer Lehrstelle
Interessierten jeweils im August bei den Schweizer Jugendlichen
zwischen 74 und 82 Prozent eine Lehrstelle hatten, waren es bei
den Ausländern lediglich zwischen 58 und 68 Prozent.
Sogar Sekschüler haben es schwer
Gleicher Schulabschluss heisst noch keineswegs gleiche Chancen:
So traten im Kanton Zürich von den Absolventen der Oberschule
(tiefe Anforderungen) 67 Prozent der Schweizer Jugendlichen eine
Lehrstelle an gegenüber lediglich 35 Prozent bei den Ausländern
und Ausländerinnen mit demselben Abschluss.
Die Chancen eines ausländischen Sekundarschülers (hohe
Anforderungen), nach Schulabschluss eine Berufsbildung oder eine
weiterführende Allgemeinbildung zu machen, sind im Kanton Zürich
gemäss einer Studie (2001) von Bildungswissenschaftler Romano
Müller nur etwa gleich gross wie jene eines Oberschülers
schweizerischer Herkunft.
Ausländische Jugendliche haben nicht nur in der obligatorischen
Schule schlechtere Karten - wie die Pisa-Erhebung gezeigt hat -,
sie sind auch bei den Berufslehren massiv benachteiligt und stark
untervertreten, vor allem bei Lehren mit hohem Anspruch. Eine Mittelschule
besuchen nur 10 Prozent der Ausländer gegenüber 20 Prozent
bei den Schweizern. Und lediglich 55 Prozent machen überhaupt
eine nachobligatorische Ausbildung, während es bei den Schweizern
78 Prozent sind.
Um die Integration fremdsprachiger Jugendlicher in die nachobligatorische
Bildung zu fördern, hat die Schweizerische Konferenz der kantonalen
Erziehungsdirektoren (EDK) nun eine Reihe von Empfehlungen ausgearbeitet.
Diese sind in der Vernehmlassung begrüsst worden, sodass sie
laut EDK voraussichtlich schon Anfang 2003 verabschiedet werden.
67 Prozent ohne weitere Ausbildung
Im Empfehlungsentwurf werden die Betriebe eingeladen, fremdsprachige
Jugendliche verstärkt zu integrieren und bei Aufnahmeverfahren
den Wert an sprachlicher Kompetenz in der Erstsprache mehr zu gewichten.
Als Grund für die Untervertretung ausländischer Jugendlicher
bei den Berufslehren führt Romano Müller unter anderem
an, dass viele Betriebe Ortssprache und besuchten Schultyp als wichtigste
Selektionskriterien betrachten. In beiden sind ausländische
Schüler im Nachteil, zumal bereits bei der Zuteilung in einen
bestimmten Schultyp die Schulsprache eine dominante Rolle spiele.
Zudem ist laut Romano Müller eine Benachteiligung ausländischer
Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt «wahrscheinlich».
Hinzu komme, dass die Empfehlung der Lehrer an die Lehrbetriebe
zu sehr auf der Deutschleistung der Schulabgänger basiere.
Gemäss Müllers Studie «Die Situation der ausländischen
Jugendlichen auf der Sekundarstufe II» machen bei den 16-
bis 20- jährigen Ausländern nur 38 Prozent eine Berufslehre,
45 Prozent bleiben ohne nachobligatorische Ausbildung. Bei den Schweizern
entscheiden sich 52 Prozent für eine Lehre, 22 Prozent absolvieren
keine weitere Ausbildung.
Besonders bedrückend ist die Situation für Jugendliche
aus der Türkei und dem ehemaligen Jugoslawien: Nur 25 Prozent
kommen in eine Berufslehre - meist mit tiefem Anforderungsniveau
-, 67 Prozent bleiben ohne Ausbildung.
(Silvia Oberhänsli, InfoSüd/ Tages-Anzeiger, 8. August
2002) |
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Al-Kaschaf: Die erste islamische Pfadi |
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Baumhütten bauen als Mittel zur Integration: Die Pfadi
Zürich hat ein neues Korps erhalten. Ein Pilotprojekt.
Al-Kaschaf ist arabisch und heisst Pfadfinder. Die erste islamische
Pfadi der Schweiz gehört seit April offiziell zur Pfadi Zürich
und will beweisen, dass Integration auch über Baumhüttenbauen
möglich ist.
Nein, sie üben nicht für den Dschihad, den heiligen islamischen
Krieg. Nein, sie sind auch keine verkappte politische Organisation.
Rachid Oulouda, 19-jähriger Maturand und Al-Kaschaf-Sprecher,
kann nur den Kopf schütteln, wenn er solches zu hören
bekommt. Doch es ist ja nicht das erste Mal. Zu gut erinnert er
sich an die Drohungen und Beschimpfungen im Gästebuch der Homepage
von Al-Kaschaf kurz nach dem 11. September. Sie haben aber längst
aufgehört, und gelassen gibt Oulouda Auskunft, was Al-Kaschaf
sein will: eine soziale Vereinigung, die wie alle anderen Pfadi-Korps
Orientierungsläufe durchführt und zu Übungen ruft,
dabei aber den Islam bewusst thematisiert, seine Gebetszeiten, Ess-
und Trinkgebote berücksichtigt. Sie sei so verschieden von
der übrigen Pfadi wie etwa katholische Pfadiabteilungen.
Initiiert von jungen Secondos
Und doch ist Al-Kaschaf mehr: Es ist ein Integrationsprojekt, im
November 1999 initiiert von jungen Secondos mit muslimischen Eltern.
Für die Pfadi Züri zudem ein Pilotprojekt, das im Idealfall
in der ganzen Schweiz Nachahmung findet.
«Die Idee entspricht dem Grundgedanken der Pfadi, die für
alle offen ist», sagt Dominik Ebert von Pfadi Züri, dem
mit 9000 Mitgliedern grössten Kantonalverband der Schweizer
Pfadfinderbewegung. Im Februar 2000 trat Al-Kaschaf an den Verband
heran, erhielt provisorischen Status und ist seit April 2002 ein
offizielles Korps der Pfadi Züri. Noch fehlen den rund 50 Männern
und 20 Frauen von Al- Kaschaf die Pfadiuniformen, doch im September
sollte es so weit sein, sofern es Geld gibt. Noch erhält Al-Kaschaf
das Material von anderen Korps, doch Subventionsanträge an
Kanton und Bund sind gestellt.
Integration tönt gut. Doch wie vollziehen? Läuft eine
separate Pfadiabteilung der Integration nicht gerade zuwider? Für
solche Fragen nahmen sich Al-Kaschaf und Pfadi Züri viel Zeit,
wie aus den differenzierten Antworten von Ebert und Oulouda klar
wird. «Die Realität und die Praxis zwangen uns, den grössten
gemeinsamen Nenner zu finden. Dieser ist mit unserer Organisationsstruktur
gegeben», begründet Ebert den gewählten Separat-Weg.
«Integration kann nur langsam stattfinden.» Eine Einsicht,
zu der auch Oulouda und seine Kollegen von Al-Kaschaf aus eigener
Erfahrung gekommen sind.
Oulouda, Sohn einer zum Islam konvertierten Schweizerin und eines
Marokkaners, spricht von sich, aber auch aus den Herzen der Bosnierinnen,
Libanesen und anderer Al-Kaschaf-Mitglieder: «Wir leben gespalten,
in zwei Welten und switchen ständig von der einen zur anderen.
Oft zerreisst uns dies.» Fatalerweise würden sich die
meisten Jugendlichen irgendwann für eine der beiden Welten
entscheiden. «Al-Kaschaf will zeigen, dass man auch leben
kann, ohne sich ständig zweiteilen oder überanpassen zu
müssen.»
Keine Überanpassung
Eine Überanpassung hätte gedroht, wenn die Integration
schnell und individuell angegangen worden wäre, erklärt
Oulouda. «Hätten wir uns auf die anderen Pfadi-Korps
verteilt, würde jeder von uns allein vor vielen "normalen
Pfadis stehen und sich überanpassen». Zudem fehle es
an sensibilisierten Leitern, der Aufwand wäre zu gross. Zu
tun gibt es ja ohnehin genug: Noch gewöhnt man sich vorwiegend
auf Kaderebene aneinander, die Korpsleiter treffen sich regelmässig,
man teilt das Sekretariat und besucht die gleichen Ausbildungskurse.
Nächstes Jahr soll es endlich so weit sein: Austauschabende
zwischen den Korps, Turniere, Lager und Altpapiersammlungen sollen
dafür sorgen, dass Integration mehr ist als Theorie.
(Karina Rierola, sda/Tages-Anzeiger, 21. August 2002) |
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Vonlanthen für die Schweiz |
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Mit Johan Vonlanthen (16) hat sich wieder ein Secondo für
die Schweiz entschieden. Auf die U17-EM hat das YB-Talent noch verzichtet,
um sich für Kolumbien frei zu halten. Das Aufgebot von U21-Naticoach
Bernard Challandes nahm der Stürmer jetzt an.
(SonntagsBlick, 1.September 2002) |
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Ohne Einwanderung läuft nichts |
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MIGRATION · Jeder dritte Bewohner der Schweiz ist eingewandert
In der Schweiz ist jeder dritte Bewohner aus dem Ausland eingewandert
oder ein direkter Nachkomme von Migranten. Ein Viertel der Ausländer
zählte im vergangenen Jahr zur zweiten oder dritten Generation,
wie das BFS am Freitag mitteilte. Im Jahr 2001 lebten 2,4 Millionen
Migranten oder Nachkommen von Migranten in der Schweiz, was 33 Prozent
der ständigen Wohnbevölkerung entspricht, wie aus der
Analyse des Bundesamtes für Statistik (BFS) hervorgeht. Zwei
Drittel oder 1,4 Millionen der jugendlichen oder erwachsenen Ausländer
sind selbst eingewandert. Ein Drittel oder 700 000 sind in der Schweiz
geboren, haben aber mindes-tens ein Elternteil, der seinerseits
in die Schweiz eingewandert ist.
Zu den Migranten zählen gemäss BFS auch 93 000 Auslandschweizer,
die in ihr Heimatland zurückgekehrt sind. Neun von zehn Migranten
kamen als Ausländer in die Schweiz. Davon besitzen 961 000
Jugendliche und Erwachsene (75 Prozent aller ausländischer
Einwanderer) auch heute noch nur einen ausländischen Pass.
Dies trifft ebenfalls auf rund 76 000 Kinder im Alter von unter
15 Jahren zu.
Ausländer über mehrere Generationen
Rund 5,7 Millionen Menschen, die in der Schweiz leben, sind auch
in der Schweiz geboren, wie das Bundesamt schreibt. Vier Fünftel
davon haben Eltern, die beide in der Schweiz geboren wurden. Die
übrigen sind Nachkommen von Migranten. Bei 38 Prozent dieser
Nachkommen sind sowohl der Vater als auch die Mutter im Ausland
geboren. Bei 39 beziehungsweise 23 Prozent jeweils nur die Mutter
oder der Vater.
333 000 aller in der Schweiz geborenen Jugendlichen und Erwachsenen
besassen bei Geburt eine ausländische Staatsangehörigkeit;
rund die Hälfte davon hat bis heute den Schweizer Pass noch
nicht erworben. 150 000 jugendliche und erwachsene Ausländer
gehören gemäss der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebeung
(Sake) der zweiten Generation an. Bei 200 000 Menschen handelt es
sich um Ausländer der dritten Generation. Im Jahr 2001 lebten
195 000 Kinder (unter 15 Jahren) in der Schweiz, die ebenfalls zur
zweiten oder dritten Ausländergeneration zu zählen sind.
Ein Drittel der Eingebürgerten wurden in der Schweiz geboren
437 000 jugendliche oder erwachsenen Schweizer haben den Schweizer
Pass durch Einbürgerung erworben. Dazu kommen rund 25 000 Kinder,
die sich seit 1986 haben einbürgern lassen. Etwas mehr als
ein Drittel der Eingebürgerten ist in der Schweiz geboren.
Gemäss Schätzungen des BFS könnten heute rund 738
000 Ausländerinnen und Ausländer das Schweizer Bürgerrecht
erwerben, erfüllen sie doch die geltenden gesetzlichen Wohnsitzfristen
des Bundes. (ap)
(Aargauer Zeitung, 14. September 2002) |
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Die Zeichen der Zeit verstanden |
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Die Willkürakte von Emmen und Pratteln, wo Einbürgerungswilligen
der Schweizer Pass einzig wegen ihres Herkunftslandes verweigert
worden war, scheinen ihre Wirkung auf die eidgenössische Politik
nicht verfehlt zu haben. Der Nationalrat jedenfalls hat die Zeichen
der Zeit offenbar erkannt und zeigt sich entschlossen, weiteren
Imageschaden dieser Art vom Land abwenden zu wollen.
Anders ist es jedenfalls kaum zu erklären, dass die Grosse
Kammer gestern die Revision des Bürgerrechtsgesetzes fast schon
im Eilzugstempo durchgeboxt hat. Und was noch mehr erstaunt: Die
liberalen Reformvorschläge des Bundesrats - kürzere Fristen
für die ordentliche Einbürgerung, erleichterte Einbürgerung
für die zweite Ausländergeneration, Bürgerrecht für
die die dritte Generation bei der Geburt und Beschwerdemöglichkeit
ans Bundesgericht bei willkürlicher Verweigerung - wurden praktisch
ohne Abstriche gutgeheissen.
Vor überbordendem Optimismus sei indessen gewarnt: Denn noch
ist das - für die national-konservative Ratsseite überladene
- Fuder längst nicht im Trockenen. Der Entscheid des Ständerats
folgt erst. Und dabei erscheint insbesondere der mit Stichentscheid
der Ratspräsidentin gefasste Beschluss betreffend die dritte
Ausländergeneration alles andere als gefestigt. Von der Volksabstimmung
ganz zu schweigen.
Denn dass über dieses Reformprojekt schliesslich an der Urne
entschieden wird, ist jetzt schon so gut wie sicher. Caspar Baader,
der Fraktionschef der gestern auf der ganzen Linie unterlegenen
SVP, liess jedenfalls keinen Zweifel daran aufkommen, wie die Blocher-Partei
auf diese Niederlage reagieren wird - mit dem Ergreifen des Referendums
nämlich.
(Thomas Gubler, Basler Zeitung, 17. September 2002) |
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Interview Miss Schweiz Nadine Vinzens |
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Jeanette Kuster stellt Prominenten aktuelle Fragen
(...)
Schweizer Familie: Der Nationalrat will die Einbürgerung von
Ausländern der zweiten und dritten Generation erleichtern.
Was halten Sie davon?
Nadine Vinzens: Ich finde das richtig. Junge Leute, die hier zur
Welt gekommen und aufgewachsen sind, kennen meist keine andere Heimat.
Die sollten den Schweizer Pass erhalten.
(...)
(Jeanette Kuster, Schweizer Familie, Nr. 39, 26. September 2002) |
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Hollywoodstar hilft Lehrstellen besetzen |
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Hollywoodstar hilft Lehrstellen besetzen
Bei der Lehrstellensuche haben es ausländische Jugendliche
oft besonders schwer. Viele Arbeitgeber scheuen den zusätzlichen
Aufwand für Bewilligungen. Jetzt soll Marilyn Monroe helfen.
Aufgewachsen im Waisenhaus und bei Pflegeeltern hat sie es trotz
schwierigen Voraussetzungen bis ganz nach oben geschafft: Hollywoodstar
Marilyn Monroe. So weit gekommen ist sie laut eigenen Aussagen aber
nur, weil sie auf Menschen traf, die ihr eine Chance gaben. Und
genau dazu werden nun Zürcher Arbeitgeber aufgefordert: auch
jungen Menschen mit schwieriger Biografie eine Chance zu geben.
So lautet die Botschaft der neuen Informationskampagne der Zürcher
Konferenz Bildungschancen für Jugendliche (Bifj). Auf Flugblättern
und Karten wirbt Bifj bei Firmen für die Einstellung von Lehrlingen
und Lehrtöchtern ausländischer Herkunft. Neben dem Konterfei
des Kinostars heisst es schlicht: «Marilyn, Norma, Leyda,
Özlem und wie sie alle heissen». Auf der Rückseite
findet sich der Steckbrief einer ausländischen jungen Frau,
der eine Chance gegeben wurde.
Hinter Bifj steht eine Vielzahl sozialer Institutionen, die im
Bereich Jugendarbeit und Bildung tätig sind. Dazu gehören
die Asyl-Organisation, der Job-Shop des Zürcher Jugendfoyers,
die Abteilung interkulturelle Pädagogik der kantonalen Bildungsdirektion,
die Berufsberatung der Stadt Zürich oder der Ergänzende
Arbeitsmarkt (EAM) des städtischen Sozialdepartements. Vor
gut zwei Jahren habensie sich zu einem Netzwerk zusammengeschlossen
mit dem Ziel, die Stellenvermittlungs- und Ausbildungsangebote für
Jugendliche zu koordinieren.
Situation hat sich verschlechtert
Das Problem, welches jetzt zur ersten gemeinsamen Kampagne führte,
ist an sich nicht neu: Auf dem Lehrstellenmarkt haben es Schülerinnen
und Schüler mit schwachen Leistungen und damit vor allem Jugendliche
ausländischer Herkunft besonders schwer. «Bewerber mit
fremd klingenden Namen oder mit dunkler Hautfarbe haben geringere
Chancen, eine Lehrstelle zu finden. Das stellen wir immer wieder
fest», sagt etwa Bert Höhn, Vizedirektor des Stadtzürcher
Laufbahnzentrums. In den letzten zwei Jahren habe sich die Situation
verschlechtert. Zwar gibt es nicht unbedingt zu wenig Lehrstellen.
Von 3800 gemeldeten Lehrstellen in der Stadt sind immerhin 105 noch
nicht besetzt. Doch Nachfrage und Angebot decken sich nicht. Will
heissen: Offen sind vor allem noch Stellen in der zurzeit nicht
sehr begehrten Handwerkerbranche. Für beliebtere Stellen wiederum
finden sichaus Sicht der Arbeitgeber nicht genügend geeignete
Schulabgänger.
Enorm lange Wartelisten
Am heutigen 1. November fällt der Startschuss zur Selektion
der Lehrlinge vom kommenden Sommer. Gleichzeitig stehen laut Höhn
schätzungsweise 180 Schulabgänger des letzten Sommers
immer noch ohne konkrete Zukunftspläne da. Das heisst, sie
haben weder eine Lehrstelle in Aussicht, noch haben sie Unterschlupf
bei einem der Überbrückungsprojekte gefunden, wie etwa
bei einem Motivationssemester des EAM. Dagmar Bach, Leiterin der
EAM-Abteilung Berufsbildung und Integration, bestätigt: «Die
Wartelisten sind enorm lang. Die Plätze in den Motivationssemestern
waren kaum je so schnell besetzt wie dieses Jahr.» Gleichzeitig
werde es immer schwieriger, Betriebe zu finden, die Praktikumsstellen
anbieten. «Die Arbeitgeber sind immer seltener bereit, Risiken
einzugehen.»
Flüchtlinge als Lehrlinge
Dass bei der Lehrstellensuche ausländische Jugendliche häufig
benachteiligt werden, liegt nicht immer an Vorurteilen oder schwächeren
schulischen Leistungen. Oft scheuen die Arbeitgeber den zusätzlichen
Aufwand, der bei der Einstellung von Jugendlichen mit Aufenthaltsstatus
F (Flüchtling) oder N (im Asylverfahren) auf sie zukommt. Dazu
müssen bei mehreren Stellen verschiedene Bewilligungen eingeholt
werden. «Viele wissen auch gar nicht, dass man junge Leute
mit F-Ausweis überhaupt ausbilden kann», sagt Dagmar
Bach. Erwachsene mit F-Ausweis dürfen laut Gesetz nämlich
nur in einigen wenigen Branchen arbeiten. Bei Jugendlichen ist die
Branchenregelung aber teilweise aufgehoben. «Ausserdem erhalten
sie später sehr oft eine Aufenthaltsbewilligung B und können
somit auch im gelernten Beruf arbeiten.» Tipps und aktive
Unterstützung für Arbeitgeber bietet ab November die Homepage
der Kampagne sowie der Job-Shop an der Zweierstrasse.
Und was hat der Ausbildungsbetrieb davon, junge Flüchtlinge
auszubilden? «Die Firma erhält als Gegenwert junge Mitarbeiter
mit frischen Ideen und Elan», so Dagmar Bach. Solche Menschen
seien Hindernisläufe nämlich gewohnt und deshalb oft besonders
motiviert.
(Conny Schmid, Tages-Anzeiger, 1. November 2002) |
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Schweizer Tamilen |
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Wie einst den Italienern geht es den Tamilen: Viele Eltern träumen
von der Heimkehr, ihre Kinder aber sind hier zu Hause.
«Wir leben zwei Leben gleichzeitig, als Tamilen und als Schweizer.
Die Älteren fürchten, ihre eigene Kultur und Sprache zu
verlieren, wenn sie sich integrieren.» Alagipody Gunaseelan
gehört zur Elterngeneration, 1990 kam er mit seiner Frau und
zwei Kindern als Bürgerkriegsflüchtling aus Sri Lanka
in die Schweiz. Heute arbeitet er im Pflegebereich und engagiert
sich als Kulturvermittler zwischen Tamilen und Schweizern. Dass
er als Erwachsener kam, hört man. «Deutsch ist nicht
meine Muttersprache», sagte er am Donnerstagabend, als Tamilinnen
und Tamilen über ihre Kultur und ihr Leben in der Schweiz informierten.
Es war die dritte und letzte von drei gelungenen und gut besuchten
Podiumsveranstaltungen im Restaurant «Falken» bei der
Schmiede Wiedikon. Die Abende organisiert hatte das Projekt eigen.art,
für welches das Sozialdepartement eigenartigerweise im kommenden
Jahr kein Geld mehr hat.
«Warum sollte ich nach Sri Lanka?»
Neben Gunaseelan sassen auch drei Junge auf dem Podium, die hier
in der Schweiz aufgewachsen sind: ein stellvertretender Geschäftsführer
eines Restaurants, eine Oberstufenschülerin und eine kaufmännische
Angestellte. Alle drei sprachen perfekt und beredt Schweizerdeutsch.
Ihr Bekannten- und Freundeskreis ist so gemischt wie die Quartiere,
in denen sie wohnen und arbeiten. Rein tamilisch sind noch das Elternhaus
und allenfalls die Tempeltanzgruppe, in welcher Frauen sich am Wochenende
treffen. «Warum soll ich nach Sri Lanka gehen?», sagte
die junge Angestellte. «Hier habe ich meinen Beruf - dort
könnte ich keinen lernen, sondern müsste zu Hause sitzen
und für den Mann kochen und waschen.»
In der Küche lernt man kein Deutsch
«Die erste Generation könnte vielleicht noch zurück
- aber die zweite? Vergessen Sie das», sagte Gunaseelan. Darum
forderte er seine Generation energisch auf, Deutsch zu lernen, um
sich besser zu integrieren. Das stiess auf Widerspruch im Publikum.
«Wie soll sich jemand integrieren, wenn er hier keinen sicheren
Boden unter den Füssen hat? Wenn er nie weiss, ob und wann
er zurückgeschickt wird?», fragte eine junge Tamilin.
«Viele Flüchtlinge sind seit zehn und fünfzehn Jahren
hier und haben noch immer bloss denStatus "vorläufig aufgenommen
.» Das hat negative Folgen, auch für die Kinder: Mit
dem unsicheren Aufenthaltsstatus im Ausweis finden sie viel schwerer
eine Lehrstelle.
Ein anderes Hindernis ist die Arbeit. Achtzig Prozent der tamilischen
Einwanderer sind im Gastgewerbe beschäftigt, und das heisst
höchste Stundenzahlen zu niedrigsten Ansätzen. Wer derart
eingespannt ist, hat kaum die Musse, Deutsch zu lernen. Darum wird
die eigentliche Integration wohl erst von der nächsten Generation
geleistet.
«In Sri Lanka kenne ich nur das Dorf, in dem ich geboren
bin», sagte der Restaurateur, der als Drittklässler in
unser Land kam. «In der Schweiz kenne ich alles links und
rechts. Ich habe hier länger gelebt als in Sri Lanka, die Schweiz
ist fast meine Heimat geworden.» So geht es auch den anderen
Jungen. «Ich fühle mich nicht gerade als Ausländerin»,
bestätigte die Schülerin und lachte.
Viele Tamilen sind nur «vorläufig aufgenommen»
- ein Nachteil für alle.
(Daniel Suter, Tages-Anzeiger, 26. November 2002) |
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Locker wie Latinos |
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Essen und Feiern, Erotik und Freude: Mediterranes Lebensgefühl
erobert die Schweiz.
Schweizer Kinder werden am häufigsten Laura und Luca getauft,
ihre Eltern konsumieren immer mehr Prosecco, Mozzarella und Olivenöl
und entwickeln eine fiebrige Fussballeuphorie. Sie spielen Beachvolleyball,
pflanzen Palmen auf den Balkon, ärgern die Strassenwischer
mit Abfall und die Nachbarn mit Nachtruhestörungen: Die Schweiz
wird mediterran. Und das hat politische Folgen.
Es war Ende des vergangenen Novembers. Als die Analysten und Kommentatoren
ihre stereotypen Erklärungen zur knappen Ablehnung der SVP-Asylinitiative
formuliert und gedruckt hatten, als der Stadt-Land- und der Röstigraben
einmal mehr in aller Tiefe ausgelotet waren, da warf der Zürcher
Philosophieprofessor Georg Kohler einen Begriff in die Diskussion,
der unverbraucht wirkte: «Mediterranisierung». Die hauchdünne
Mehrheit (50,1 Prozent) der Stimmenden, die der SVP die Gefolgschaft
verweigerten, sagte Kohler, lebe heute eben - im Gegensatz zur SVP-Anhängerschaft
- wie die europäischen Nachbarn oltre Gottardo.
Wer zu diesem neuen Mittelmeerstand gehört, den erreichen
die SVP-Parolen nicht mehr. Das politische Potenzial dieser Bewegung,
glaubt Kohler, wäre noch viel grösser, «wenn es
den Mitteparteien CVP und FDP gelänge, diese Menschen für
Lebens-Politik zu interessieren». Drei Punkte sind dem Philosophen
bezeichnend für die mediterranisierten Schweizer: «die
Besetzung des öffentlichen Raumes, das verstärkte Bedürfnis,
sich in der Gruppe zu bewegen, und die Erotisierung.»
«La vita sulla strada» - in Zürich, Luzern oder
Biel riecht es nach Barcelona, Toscana und Beirut. Auf den Strassen
verkehren vermehrt Roller, die Zahl der Strassencafés in
Zürich stieg seit 1988 von 270 auf 476. Die Mediterranen haben
uns auch die öffentlich gelebte Fussballbegeisterung gelehrt.
Die Italiener haben sie vorgemacht, seit sie 1982 den WM-Titel holten.
Inzwischen beherrschen auch die Schweizer die Disziplin. Das, was
sich am 8. Mai 2002 auf dem Basler Barfüsserplatz abspielte,
stellte das Vorbild sogar in den Schatten: 70 000 feierten Meister
«FCBeeee» bis in die Morgenstunden mit einer Begeisterung,
die bis anhin als unschweizerisch gegolten hatte.
Der Sport ist inzwischen Massstab für gesellschaftliche Trends.
In Zürich sind in diesem Jahr vier Tennisplätze umgebaut
worden zu Fussball- und Beachvolleyball-Feldern. Begründung
des Stadtrats: «Die Tennisplätze waren immer weniger
gefragt.» Tennis trifft das Lebensgefühl der Angelsachsen,
Beachvolleyball jenes der Latinos. Während beim Tennis zum
Aufschlag «Quiet, please!» gilt, spielt beim Beachvolleyball
die Erotik zumindest die erste Nebenrolle im Sand. 350 Beachvolleyball-Felder
gibt es im Land, Tendenz stark steigend.
Einen «gesunden, spielerischen Exhibitionismus» nennt
dies der Philosoph Kohler. Spielerisch, da Hingucken zwar erlaubt,
Berühren aber verboten ist. Diese Erotisierung - übernommen
aus dem Mittelmeerraum - zeichnet inzwischen das Strassenbild. «Noch
1968», sagt Kohler, «hätte ich mir diese bauchfreien
Pullis, die man heute selbst im Winter auf der Strasse sieht, nie
vorstellen können.» Die Zürcher Street Parade ist
nur die exaltierte Spitze einer Massenbewegung, die mindestens aufs
Jahr 1980 zurückgeht, als Zürichs «Bewegig»
mit einer Nacktdemo durch die Altstadt zog, um gegen «Packeis»
und für «freie Sicht aufs Mittelmeer» zu demonstrieren.
«Das Mittelmeer war damals Metapher der Sehnsucht»,
sagt Markus «Punky» Kenner, der damals Mitbegründer
von «Rock als Revolte» war: «Wir tranken Chianti
aus Anderthalbliter-Korbflaschen, hörten Eduardo Bennato und
träumten von Ferien im warmen Süden - am Mittelmeer.»
Das Zürcher AJZ führte 1980 eine Italowoche durch, die
Aktionshalle war rotweissgrün geschmückt, und Antonella
Martegani von der damaligen Spuntengruppe erinnert sich: «Wir
mussten 240 Portionen Lasagne kochen. Es kam mir vor wie in Italien,
so heiss war die Stimmung.»
Inzwischen ist das Packeis am Schmelzen, im eigentlichen wie im
übertragenen Sinn. Die Durchschnittstemperatur im Sommerhalbjahr
stieg in der Nordschweiz seit 1980 von 13,1 auf 15,7 Grad Celsius.
In der Falletsche am Zürcher Üetliberg hat Kohler festgestellt,
dass «sich ein Regenurwald breitmacht, als ob wir im Mato
Grosso wären», und am Römerhof in Zürich «wächst
eine Palme, die ich allenfalls in Lugano gesucht hätte».
Am Neuenburgersee lebt im Sommer ein Flamingo, der vor drei Jahren
erstmals aus der Camargue zugeflogen war. Eine klimatische Erwärmung
habe aber immer soziologische Folgen, sagt Kohler: «Wos wärmer
wird, löst sich die Erstarrung. Mediterranisierung heisst auch
die Mässigung des kleinen, inneren Kommissars, der uns ständig
überwacht.»
Mediterranisierung ist mehr als «multikulti»: Es heisst,
die Codes der Immigranten nicht nur akzeptieren, sondern einen Teil
davon selbst übernehmen. Auswärts essen beim Italiener
oder beim Libanesen ist seit Jahrzehnten schick, inzwischen haben
die Schweizer die mediterrane Küche gewissermassen verinnerlicht
und in der eigenen eingeführt.
Das schlägt sich nieder in einem massiv steigenden Konsum
von Olivenöl und Frischfisch - beides Säulen der mediterranen
Küche. Der Verbrauch von Olivenöl ist seit 1988 hier zu
Lande um 221 Prozent gestiegen, jener von Frischfisch um 52 Prozent.
Schweizers liebster Käse ist weder Emmentaler noch Greyerzer,
sondern - der Mozzarella. 2,1 Kilo pro Kopf wurden im vergangenen
Jahr konsumiert; der grösste Teil stammt inzwischen aus Inlandproduktion.
Freizeitverhalten, Mode, Bewegungsmittel, Ernährung - alles
zusammen er- gibt ein Outfit, übrigens ein Ausdruck mit mediterranen
Wurzeln, er bezeichnete in den Zwanzigerjahren die Zugehörigkeit
zu Al Capones Verbrechersyndikat in Chicago. Die neue Schweizer
Mittelmeerklasse ist dagegen eine tolerante Gesellschaft. Überparteilichkeit
ist bei ihr Programm. Der Internet-Abstimmungsinfoservice Vo-tez.ch
ist eine Art Gegenbewegung zu den Puurezmorge der SVP. Thomas Haemmerli,
Gründer von Votez.ch, sagt: «Die urbane, mediterranisierte
Gesellschaft hat immer Probleme, wenn sie formulieren muss, was
sie genau will. Hingegen weiss sie sehr genau, was sie nicht will.
Mediterranisierung ist die Antithese zu Blochers Gesellschaftsmodell.»
Mittelmeer-Identität, schrieb der französische Arabist
Thierry Fabre, «ist eine Weise, auf der Welt zu sein».
Der Mittelmeerraum, schreibt der deutsche Ethnologe Dieter Haller,
«hat eine Fähigkeit, gleich einer Pflanze äussere
Einflüsse der Fremden aufzunehmen, deren zerstörerische
und verstörende Effekte zu neutralisieren und damit gleichsam
den eigenen Lebensrhythmus zu erhalten.» Denn: Die Mediterranisierung
hat - von allen anerkannt - natürlich ihre Kehrseiten. Die
Zahl der Nachtruhestörungen hat in Zürich im vergangenen
Jahr mit 3580 Anzeigen einen neuen Rekord erreicht - im Vorjahr
waren es noch 2830. In Basel studiert die Stadtreinigung eine tief
greifende Neuorganisation: «Unser Hauptproblem ist, dass die
Nachtruhe für Anwohner immer kürzer wird», sagt
Martin Bischofberger von der Stadtreinigung. «Wenn um 4 Uhr
morgens die letzten Partys zu Ende sind, kommen schon wir von der
Stadtreinigung.»
Es sei eben nichts gratis, sagt Philosoph Kohler. «Die Mediterranisierung
hat auch eskapistische Züge.» Da gelte es, traditionelle
Werte der sesshaften Kultur zu verteidigen: Disziplin, Arbeitsmoral
und das Funktionieren der öffentlichen Einrichtungen. Der Werte-Transfer
zwischen Sesshaften und Immigranten findet ohnehin statt: «Einwandererkulturen
eignen sich immer Teile der sesshaften Kultur an und verändern
sie aber auch.» Das heisst: Am Schluss sind wir alle Secondos.
(Daniel Blickenstorfer, Facts, 31. Dezember 2002) |
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